Mehr queere Sichtbarkeit in Neukölln

Rede unserer Fraktionsvorsitzenden Ursula Künning auf der Demonstration <link https: www.siegessaeule.de no_cache newscomments article external-link-new-window internal link in current>"It's T*Time - Jetzt erst recht" für queere Sichtbarkeit in Neukölln am 23.2.2020 vor dem Neuköllner Rathaus: 

"Ich bin Ursula Künning, Fraktionsvorsitzende der Grünen Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln.

Ich freue mich, dass ihr trotz des schlechten Wetters gekommen seid. Doch Versammlungen dieser Art haben immer einen Anlass, der keinen Grund zur Freude gibt. Die Gewalt, Diskriminierungen und Belästigungen gegen queere Menschen haben auch in Neukölln wieder ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht.

Die Gewalt kommt von mehreren Seiten der Gesellschaft: Einerseits kommt sie von Menschen, die sich ihrer eigenen vermeintlichen Normalität vergewissern wollen, durch Verachtung und Herabwürdigung anders wirkender Menschen. Neukölln ist bekannt für eine rechte Szene, deren Mitglieder glauben, sich immer wieder mit Gewalt – auch gegen queere Menschen – beweisen zu müssen. Außerdem leben hier auch Menschen, die sich auf eine Religion oder Kultur berufen, die Homosexualität als schweres Vergehen oder Sünde ansieht. Manche junge queere Mitglieder solcher Gemeinschaften sind von Zwangsheiraten bedroht.

Andererseits hat sich in Neukölln eine lebendige queere Szene entwickelt. Diese Szene besteht auch, aber längst nicht nur aus Partygänger*innen. Unter ihnen sind auch Studierenden oder berufstätige Menschen, die Familien gegründet haben oder dies noch tun werden. Die Kinder aus diesen sogenannten Regenbogenfamilien werden hier Kitas besuchen und eingeschult werden. Sie möchten in einem Neukölln leben, das allen Menschen ein würdiges, sicheres und freies Leben ermöglicht.

Was kann die Politik dafür tun?

Ich habe schon vor zwei Jahren einen Antrag auf die Schaffung einer Stelle einer* Queer-Beauftragten* gestellt. Eine solche Stelle gibt es bereits in Tempelhof-Schöneberg. Der Bezirk hat gute Erfahrungen damit gemacht. Eine entsprechende Stelle in Neukölln wäre in dieser kritischen Situation ein probates Mittel, um einerseits die Gewalt aktiv zu bekämpfen und andererseits die Arbeit des Runden Tisches gegen Homo- und Transphobie in Neukölln zu unterstützen.

Zu den Aufgaben gehören u. a. die Stärkung der Akzeptanz der queeren Szene sowohl innerhalb als auch außerhalb der Bezirksverwaltung, die Unterstützung freier Träger und Netzwerke und das Erstellen von Berichten und Konzepten zu queeren Themen und Fragen. Es soll eine Stelle sein, an der die Fäden zusammenlaufen. Die* Queerbeautragte* kann Ansprechperson der Polizei bei Gewaltvorfällen sein. Sie kann mit Moscheegemeinden kooperieren, um dort Menschen zu finden, die offen sind für Fragen des queeren Lebens.

Leider gibt es keine* Queerbeauftragte* in Neukölln. Ich habe zwei Jahre in der Bezirksverordnetenversammlung und in den Ausschüssen darum gerungen. Der Bezirk beharrte darauf, dass kein Geld dafür zur Verfügung stünde. Schließlich wurden – auf mein ständiges Beharren hin – beim Senat Mittel zur Schaffung einer Stelle beantragt.

Allerdings musste das Bezirksamt feststellen, dass der Senat die Bezirke bei dieser Aufgabe nicht finanziell unterstützen wolle – die Förderung für die Stelle der* Queerbeauftragten* sei abgelehnt worden. Der Senat sieht die Bezirke in der Verantwortung, entsprechende Stellen zu finanzieren. Da das Bezirksamt sich hierzu allerdings nicht in der Lage sieht, wird die Stelle auf absehbare Zeit nicht kommen. „Das Bezirksamt sieht damit den Beschluss der BVV als erledigt an“, heißt es in dem Schlussbericht.

Dazu muss ich sagen, dass die SPD, die den Bürgermeister stellt, meinem Antrag von vornherein desinteressiert bis ablehnend gegenüber stand. Für mich ist der Antrag nicht erledigt. Ich werde weiterhin darauf drängen.

Zu sagen ist noch, dass das queere Neukölln auch im Abgeordnetenhaus von unseren Grünen Abgeordneten Anja Kofbinger und Susanna Kahlefeld gut vertreten ist. Besonders Anja Kofbinger ist unermüdlich unterwegs für queere Anliegen und Mitbegründerin der <link https: www.facebook.com sicherheitundgeborgenheitneukoelln>Aktion "Sicherheit-Geborgenheit-Neukölln" gegen Gewalt an Frauen, queeren und trans* Personen.

Angriffe auf Menschen, die sich manchmal auch nur in Nuancen von der heterosexuellen, weißen Mehrheit unterscheiden, sind von Hass geprägt. Das jüngste grausame Beispiel ist der Terrorakt von Hanau. Ein rassistisches Verbrechen von einem rechtradikalen Täter, der innerhalb eines Diskurses handelte, der offen versucht Rassismus, Antisemitismus, Antifeminismus und Hass auf Queere gesellschaftsfähig zu machen. In den deutschen Parlamenten, auch in Neukölln, sitzen Nazis, die die Bevölkerung gegen Menschen aufhetzen wollen, die sie als nicht zugehörig in Deutschland sehen.

Dagegen müssen wir uns alle stemmen. Für uns als Grüne Fraktion heißt das, dass die AFD mit keinem Antrag durchkommt, dass wir sie in kein Amt wählen, dass wir nicht mit ihr diskutieren und ihr so wenig Raum wie möglich lassen.

Ich werde in dieser Zeit der Wahlperiode queere Themen weiterhin in die Ausschüsse und in die Bezirksverordnetenversammlung einbringen und darauf drängen, dass sich das Bezirksamt mit dem Bürgermeister an der Spitze in dieser Hinsicht seiner Verantwortung stellt."