Beschluss: Gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit. Für eine solidarische und gerechte Gesellschaft

Am 17. Februar 2024 hat der Kreisverband Neukölln von Bündnis90/Die Grünen den Antrag „Gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit. Für eine solidarische und gerechte Gesellschaft“ beschlossen.

Mit diesem Antrag reagiert der Kreisverband auf die Demonstrationen der letzten Wochen und richten uns gegen Rechtsextremismus und die menschenfeindliche Ideologie der AfD. Sie sind die größte Bedrohung für unsere Grundwerte und das Fundament unserer Gesellschaft.

Seit einigen Wochen gehen hunderttausende Menschen in Berlin und ganz Deutschland auf die Straße, um gegen die AfD und ihre menschenverachtende Ideologie, gegen Rechtsextremismus, gegen Rassismus und Antisemitismus und andere Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu demonstrieren. Auslöser war eine im Januar 2024 von Correctiv veröffentlichte Recherche, die der breiten Öffentlichkeit ein geheimes Treffen von Unternehmern, rechten CDU-Mitgliedern und AfD-Funktionären enthüllte. Bei der Runde im November 2023 sprachen sie mit dem Identitären Martin Sellner über rassistische Deportations- und Vertreibungspläne. Gleichzeitig ist die AfD in Umfragen im Bundestrend zweitstärkste Kraft und in den drei ostdeutschen Bundesländern, in denen dieses Jahr gewählt wird, erzielt sie die höchsten Zustimmungswerte.

Schon seit Jahren beobachten wir die Normalisierung von rechtem Gedankengut in unserer Gesellschaft. Unter anderem treiben Mitglieder der AfD insbesondere seit 2015 die rechte Diskursverschiebung massiv voran, die aktuell auch von weiten Teilen der Union und Teilen der FDP mit verschärft wird. Die diskursive und auch die realpolitische Brandmauer gegenüber der AfD bröckelt immer mehr. Die Correctiv-Enthüllungen verdeutlichen erneut: Rechtsextremismus stellt die größte Gefahr für unsere plurale Gesellschaft und insbesondere für marginalisierte Menschen dar. Das wissen wir auch durch die Erfahrungen mit rassistischen und antisemitischen Anschlägen der letzten Jahre.

Am 19. Februar 2024 jährt sich der rassistische Anschlag von Hanau zum vierten Mal. Es ist unsere Aufgabe, die Erinnerung an die neun getöteten Menschen und ihre Angehörigen wachzuhalten und Verantwortung zu übernehmen für den Kampf gegen Rechts.

Als Grüne setzen wir uns dafür ein, dass rassistische und menschenverachtende Diskurse und Verhaltensweisen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben. Sie betreffen jede*n von uns, denn sie zersetzen das Fundament, indem sie unsere gemeinschaftlichen Werte angreifen.

In unserem Grünen Grundsatzprogramm haben wir uns verpflichtet, dass der Schutz, die Förderung und die Gewährleistung der Menschenrechte als zwingende Voraussetzung für Demokratie Anspruch und Maßstab unserer Politik sind (siehe Absatz 1 und 40) und die Bekämpfung von Rassismus und allen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit grundlegende Aufgabe von Staat und Gesellschaft ist (siehe Absatz 24). Als Grüne streben wir nach einem solidarischen, gemeinsamen Wir in einer vielfältigen Gesellschaft (siehe Absatz 6). Rechtsextremismus identifizieren wir als größte Gefahr für die liberale Demokratie und die Sicherheit in Deutschland. Ihm muss mit einer antirassistischen und antifaschistischen Haltung klar entgegengetreten werden (siehe Absatz 285).

Gerade im Lichte dieser an uns formulierten Ansprüche müssen wir auch einen kritischen Blick auf uns selbst werfen. Mit der Zustimmung der Ampel-Regierung zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (zwar gegen die Stimmen der Grünen Europafraktion) und dem sog. Rückführungsverbesserungsgesetz (gegen die Stimmen etlicher Mitglieder der Grünen Bundestagsfraktion) findet unter unserer Regierungsbeteiligung eine weitgehende Aushöhlung des Rechts auf Asyl sowie der Genfer Flüchtlingskonvention statt. Aber vielmehr muss es gerade jetzt um die Sicherung der Menschenrechte und die Würde derjenigen gehen, die Schutz suchen. Das ist das Gegenprogramm zu AfD und Rechtsextremismus. „Nie wieder“ heißt auch, das Recht auf Asyl nicht aufzugeben. Es heißt, für die Rechte jedes Einzelnen einzustehen, unabhängig von Herkunft, Glaube oder Identität.

Anstatt also eine Politik zu unterstützen, die Menschenrechte gefährdet und den Zielen der Rechtsradikalen entgegenkommt, ist es höchste Zeit, die stetige Diskurs- und Politikverschiebung nach rechts zu beenden. Ein Rechtsruck der Einen kann nicht mit einem Rechtsruck von Allen bekämpft werden. Als Partei in Regierungsverantwortung reicht unsere Verantwortung weit darüber hinaus, uns an den Protesten gegen Rechts zu beteiligen und diese zu unterstützen. Wir müssen die Proteste auch als Auftrag an uns verstehen, uns noch vehementer für konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung rechtsextremer Strukturen einzusetzen.

In Neukölln begleiten wir die Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Abgeordnetenhaus zur vollständigen Aufklärung von Ermittlungsfehlern und behördlichem Versagen im Zuge der rechtsextremen Straftatenserie in Neukölln („Neukölln-Komplex“). Außerdem setzen wir uns für die langfristige finanzielle und ideelle Förderung demokratischer zivilgesellschaftlicher Akteur*innen im gesamten Bezirk ein sowie für die Unterstützung antifaschistischer Strukturen, die als Anlaufstelle für Opfer rechter Gewalt tätig sind.

Auch fast vier Jahre nach dem rechtsterroristischen Anschlag von Hanau sind wir von echter Aufarbeitung weit entfernt. Die Verfehlungen von Polizei und Behörden in der Tatnacht müssen endlich umfassend aufgeklärt werden, zum Beispiel durch den Einsatz unabhängiger Sonderermittler*innen.

Bundesweit benötigen wir eine unabhängige, zentrale Sicherung und Aufarbeitung aller vorhandenen Unterlagen rassistischer, antisemitischer und rechtsextremer Taten. Hierdurch können Kontinuitäten und Netzwerkstrukturen sichtbar gemacht werden. Darüber hinaus sollten durch das Demokratiefördergesetz auf Bundesebene zivilgesellschaftliche Vereine und Initiativen unterstützt werden, die sich für den Kampf gegen Rechts einsetzen, die Anlaufstellen für Betroffene von rechter Gewalt sind oder sich gegen Hate Speech im Netz engagieren.

Die Entwicklungen der vergangenen Jahre und die aktuellen Enthüllungen zeigen einmal mehr: Die AfD ist der verlängerte Arm des Rechtsextremismus in unseren Parlamenten. Die Landesverbände Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt wurden vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft, weitere Landesverbände gelten als rechtsextremistischer Verdachtsfall. Als Grüne müssen wir die AfD inhaltlich entlarven. Unsere Verfassung sieht aber auch vor, eine Partei auch zu verbieten, wenn sie eine Gefahr für unsere Demokratie darstellt. Das muss im Falle der AfD gründlich geprüft werden, wie es auch die Fraktionsvorsitzenden der grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus und die Berliner Landesvorsitzenden fordern.

Für die Verteidigung der Demokratie braucht es uns alle. Die große Beteiligung an den bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus der letzten Wochen macht Mut. Jetzt dürfen wir nicht müde werden, sondern müssen uns dem antifaschistischen Kampf auf allen Ebenen widmen. Es geht dabei um mehr als Politik. Es geht um unser tägliches Handeln. Um Widerstand gegen die Feinde der Demokratie zu leisten, braucht es uns alle. Lasst uns gemeinsam für eine solidarische und gerechte Gesellschaft einstehen.