"Neukölln braucht bezahlbaren Wohnraum!" Interview mit Stadtrat Jochen Biedermann

Jochen, seit 2016 bist du Stadtrat in Neukölln, Stadtentwicklung hat immer zu deinem Ressort gehört. Was kann der bezirk für bezahlbaren wohnraum tun?
Wir haben die bezirklichen Möglichkeiten konsequent angewendet und neue entwickelt: Den Milieuschutz ausgeweitet, das Vorkaufsrecht angewendet und das „Neuköllner Modell für den kiezverträglichen Wohnungsneubau“ etabliert, wodurch zusätzliche bezahlbare Wohnungen entstehen. Durch strenge Anwendung des Umwandlungsverbots konnten wir zumindest die Aufteilung von Miet- in Eigentumswohnungen stoppen. Wir ringen also um jede bezahlbare Wohnung – ob im Bestand oder im Neubau.

Jochen Biedermann in seinem Büro im Rathaus Neukölln

Welche konkreten Erfolge gab es in den letzten Jahren?
Durch das Neuköllner Modell entstehen bezahlbare Wohnungen, die es sonst nicht geben würde. Zudem haben wir Regeln gegen sogenannte Micro-Appartment entwickelt – das sind diese möblierten Zimmer, die für Unsummen vermietet werden. Und wir gehen gegen Missbrauch auf dem überspannten Wohnungsmarkt vor. Eine Immobilienfirma hat etwa aus einer Zwei- eine Fünfzimmerwohnung gemacht, die Zimmer einzeln vermietet und den Gesamtmietpreis damit verdreifacht. Dem haben wir einen Riegel vorgeschoben und vom Oberverwaltungsgericht Recht bekommen. Ein weiterer Erfolg ist natürlich die Anwendung des Vorkaufrechts für die Weichselstraße 52 im Herbst 2023. 

Stichwort Vorkaufsrecht – mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 2021 wurde dieses massiv eingeschränkt – was heißt das für Neukölln?
Mit dem Vorkaufsrecht hatten wir ein starkes Instrument, mit dem wir sicherstellen konnten: wer hier ein Haus kauft, muss sich an Regeln halten und kann nicht nur auf Kosten der Bewohner*innen Kasse machen. Wer dazu nicht bereit war, kam nicht zum Zug. So sind zahlreiche Häuser in Neukölln in die Hände von städtischen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften gekommen. Seit dem Urteil geht das nicht mehr, seither können wir das Instrument nur noch für baufällige Häuser anwenden. In einem Fall in der Weichselstraße ist es uns dennoch gelungen, aber den meisten Verkäufen geht es eben nicht mehr. Wir brauchen daher endlich die Reform des Vorkaufsrechts auf Bundesebene, die insbesondere die FDP in der Ampel blockiert hat.

Eine Aufgabe für die nächste Bundesregierung – Was für eine Bedeutung hat die BundestagsWahl für Mieter*innen in Neukölln?
Eine große! Neben dem Vorkaufsrecht muss das Umwandlungsverbot, von dem wir es oben schon hatten mindestens für weitere fünf Jahre verlängert werden. Und – genauso dringend – muss die Mietpreisbremse verlängert und verbessert werden. Es ist leider kaum bekannt, dass auch diese Ende 2025 ausläuft. Für Berlin wäre das eine absolute Katastrophe, bei Neuvermietungen würde es zu noch krasseren Erhöhungen kommen als jetzt schon. CDU und FDP dagegen wollen die Mietpreisbremse einfach auslaufen lassen. Für einen umfassenden Mieter*innenschutz brauchen wir also ein starkes, grünes Ergebnis!


Interview mit Jochen Biedermann, Stadtrat für Stadtrat für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr
Dieser Artikel ist Teil des Neuköllner Stachels Nr. 198, Ausgabe I/2025