Emmaus-Wald bleibt!?!
Im Konflikt um Neuköllns jüngsten Wald ist noch nichts entschieden. Von Daniel Wesener
Es kommt nicht gerade häufig vor, dass in einer Stadt wie Berlin ein neuer Wald entdeckt wird. So geschehen diesen Herbst durch das zuständige Landesamt der Berliner Forsten. Nach deren neuester Einschätzung handelt es sich bei der Natur, die sich in den letzten Jahren ein großes Stück des ehemaligen Emmaus-Friedhofs im Herzen Neuköllns zurückerobert hat, um einen Wald im Sinne des Landeswaldgesetzes. Das könnte ein Wendepunkt im Konflikt um die Zukunft des Areals am südlichen Ende der Hermannstraße sein.
Denn dort will die BUWOG, Eigentümerin des Grundstücks und Tochter des Immobilienkonzerns Vonovia, einen Wohnkomplex mit einem hohen Anteil an teuren Eigentumswohnungen errichten. Dagegen gibt es Proteste von der Anwohnerschaft, Naturschutzverbänden und nicht zuletzt aus der Neuköllner Politik. Genauso wie die Initiative „Emmauswald bleibt“ haben sich Baustadtrat Jochen Biedermann (Grüne) und die Mehrheit der Bezirksverordnetenversammlung gegen die Bebauung der Grünfläche in der geplanten Form ausgesprochen. Der Wohnungsbau soll stattdessen auf einen anderen Teil des BUWOG-Grundstücks, einer Brache entlang des Mariendorfer Wegs, konzentriert werden. Für diese Lösung gibt es mindestens zwei gute Gründe:
Emmaus-Wald statt Klimawandel und Bodenspekulation
Der Emmaus-Wald ist der jüngste, mit 3,8 Hektar aber auch größte Wald Neuköllns. Dort stehen über 700 Bäume, welche die Grundlage für ein artenreiches Ökosystem bilden. Das schafft einen klimatischen Ausgleich für den benachbarten Stadtraum, der einer der am stärksten lärm- und hitzebelasteten Orte Berlins ist. Wir Grüne sind überzeugt: Die frühere Ausweisung der Fläche als „Bauerwartungsland“ wird den heutigen Anforderungen an eine klimagerechte, resiliente Stadtentwicklung nicht gerecht. Oder um es mit den Berliner Forsten zu sagen: „Der Verlust dieser Waldfläche würde sich daher voraussichtlich besonders negativ auf das Stadtklima auswirken.“
Hinzu kommt das Bauprojekt und die Bauträgerin selbst: Die BUWOG ist wie ihre Muttergesellschaft für eine Bau- und Vermietungspraxis bekannt, die maximale Rendite über eine soziale Wohnraumversorgung stellt. So hat die Vonovia im Juli, entgegen früheren Zusagen im Berliner Wohnungsbündnis, neben Mieterhöhungen auch einen kompletten Baustopp innerhalb Deutschlands angekündigt. Warum sollte die Stadtpolitik ausgerechnet in dieser Situation einer Vonovia-Tochter dazu verhelfen, den Wert eines ihrer Grundstücke mittels Gewährung von Baurechten zu steigern? Die Spekulation mit Boden und Investments in hochpreisiges Wohnen sind bekanntlich nicht die Antwort auf die Berliner Wohnungsmisere, sondern eine ihrer wesentlichen Ursachen.
Der Senat will trotzdem bauen lassen
Wer so denkt, liegt zwar richtig, hat die Rechnung aber nicht mit der SPD-geführten Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen gemacht. Als Reaktion auf die Ankündigung von Stadtrat Biedermann, den von der BUWOG erwünschten Bebauungsplanentwurf nicht weiter zu verfolgen, hat sie dem Bezirk die Zuständigkeit für das Bauvorhaben entzogen. Nunmehr soll allein auf Landesebene über die Zukunft vom Neuköllner Emmaus-Wald entscheiden, angeblich „zur Wahrung dringender Gesamtinteressen Berlins“. Damit bleibt die neue Koalition ihrer Linie treu, privaten Immobilieninvestoren den schwarz-roten Teppich auszurollen, anstatt sie für eine soziale und ökologische Stadtentwicklung in die Pflicht zu nehmen.
Wie geht’s nun weiter – und was können wir tun?
Doch noch ist der Konflikt um den Emmaus-Wald nicht entschieden: Die Neueinstufung der Fläche durch die Berliner Forsten als Wald schließt eine Bebauung zwar nicht völlig aus, verleiht diesem aber einen deutlich höheren Schutz. Entscheidend dürfte unter anderem die Frage sein, wie der Senat und die BUWOG bei einer Rodung die gesetzlich vorgesehene Kompensation bewerkstelligen wollen. Hinzu kommt die anhaltende Gegenwehr von der Initiative und anderen Teilen der Zivilgesellschaft. Als Grüne werden wir uns weiterhin auf Bezirks- und Landesebene für einen Erhalt vom Emmaus-Wald einsetzen und dabei Schwarz-Rot einschließlich ihrer Neuköllner Parteigliederungen in die Pflicht nehmen. Klar ist, dass bei sämtlichen Planungen zu dem Gelände der neue Waldstatus angemessen berücksichtigt und das Bebauungsplanverfahren unter Beteiligung der betroffenen Nachbarschaft und Verbände neu aufgerollt werden muss. Wir fordern zudem die Rückgabe der formellen Zuständigkeit vom Land an den Bezirk. Bei all dem wissen wir, dass es noch viele Anstrengungen, ein kluges Vorgehen und jede Menge Unterstützung braucht, bis ein für allemal klar ist: der Emmaus-Wald bleibt!
Daniel Wesener, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin
Dieser Artikel ist Teil des Neuköllner Stachels Nr. 196, Ausgabe I/2024