Unbeirrbar für Neukölln und grün-alternative Werte: Nachruf auf Gabi Vonnekold
Nach der Beisetzung von Gabi Vonnekold in kleinem Kreis sitzen einige Weggefährt*innen noch beisammen – ihr Tod hat alle, die sie kannten, betroffen und traurig gemacht, doch es kommen viele Erinnerungen auf. Etwa, wie diebisch sich Gabi gefreut hat, als Carola Scheibe-Köster ihr im Pflegeheim Parfum auftrug – ein Fraktionskollege hatte den Geruch nicht gemocht. Oder wie erleichtert sie war, als 1988 der Alternativen Listen-Delegation die Einreise mit dem Rad nach Ost-Berlin verweigert wurde. Aus gesundheitlichen Gründen fuhr Gabi nur ungern Fahrrad – zu Fuß durften sie den Besuch dann antreten.
Gabi war Neuköllnerin durch und durch. 1952 im Bezirk geboren, besuchte sie die Britzer Fritz-Karsen Schule und legte dort ihr Abitur ab. Nach dem Lehramtsstudium und einer Zusatzausbildung zur Personalreferentin war sie zunächst im kaufmännischen Bereich tätig – in einem Buchladen und für soziale Projekte. Auch politische engagierte sie sich früh, war aktiv in Neuköllner Bürgerinitiativen und 1979 Gründungsmitglied der Alternativen Liste für Demokratie und Umweltschutz. Mit dieser zog sie 1981 erstmals in die Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ein. Ihre Mutter, ebenfalls in der AL aktiv, brachte allen Verordneten Stullenpakete mit – auch, nachdem Gabi wegen des Rotationsprinzips der Fraktion nicht mehr angehörte. „Haste gedacht, nur weil Gabi nicht mehr in der BVV ist, gib’s keine Stullen mehr?“, fragte ihre Mutter den nachgerückten Wolfgang Ewert.
Das Rotationsprinzip pflegte die Alternative Liste auch auf Landesebene, und so rückte Gabi 1987 in das Berliner Abgeordnetenhaus nach. Als „Alliierten- und Ostbeauftragte“ der Fraktion nahm sie 1987 am Staatsakt der DDR-Regierung zur 750-Jahr-Feier Berlins und 1988 am „Internationalen Treffen für kernwaffenfreie Zonen“ teil. Dort kam sie unter anderem mit Yassir Arafat, dem damaligen Präsidenten der palästinensischen Autonomiegebiete, ins Gespräch. Dieses, so schilderte Gabi es gegenüber Bernd Szczepanski, verlief durchaus harmonisch – bis Arafat seine Begeisterung für die (friedliche) Nutzung von Kernkraft zum Ausdruck brachte. Da ließ Gabi es sich nicht nehmen, ihm ordentlich Kontra zu geben. Die Diskussion wurde hitziger, andere Teilnehmende schalteten sich ein und Gabi stand mit ihrer kernkraftkritischen Haltung bald allein - von ihrer Überzeugung ließ sie sich jedoch nicht im Geringsten abbringen.
In ihren alternativen bzw. grünen Grundpositionen blieb Gabi unbeirrbar, auch nach der Verschmelzung der Berliner AL zum Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 1992. Dabei ging es ihr nie um sich, sondern stets darum, tatsächlich etwas zu verbessern. Aus diesem Grund entschied sie sich 2006 für das Jugendressort in der Neuköllner Bezirksverwaltung – nach fünfjähriger Pause hatten die Grünen wieder einen Posten im Bezirksamt errungen und für Gabi als Kandidatin standen mehrere Ressorts im Raum. Sie wurde Jugendstadträtin: Hier könne auf Bezirksebene wirklich etwas gestaltet werden und die Neuköllner Jugendlichen hätten es verdient, dass sich jemand mit ganzem Einsatz für ihre Interessen einsetzt. Und das tat sie: Trotz der angespannten Haushaltslage gelang es ihr, die Präventionsarbeit auszuweiten, neue Schulstationen einzurichten und Angebote wie die Familienhebammen ins Leben zu rufen. 2011 wurde sie erneut als Stadträtin aufgestellt, jedoch entgegen den Gepflogenheiten in der BVV nicht wiedergewählt. Ein Vorgang, der viel Kritik hervorrief, denn Gabi hatte sich im Bezirksamt und bei den Jugendhilfe-Trägern ein hohes Ansehen erarbeitet. Jochen Biedermann erinnert sich, wie eine Bezirksamts-Mitarbeiterin zu ihm und Gabi in den Fahrstuhl stieg und es ihr ein großes Anliegen war, ihr Unverständnis zu äußern: „Wir fanden das damals alle nicht richtig, was mit Ihnen gemacht wurde. Sie waren eine gute Stadträtin.“
Gabi wechselte als Fraktionsvorsitzende zurück in die BVV Neukölln und begann zudem, als Referentin für Bildung und Jugend für die Grüne Fraktion Berlin zu arbeiten. Unter anderem Marianne Burkert-Eulitz lernte von und mit ihr das Handwerkszeug für das Abgeordnetenhaus – Gabi stand mit Rat und Tat zur Seite, gab unaufgeregte Hinweise und prägte die Oppositionsarbeit mit. Ihre Arbeit im Abgeordnetenhaus legte sie 2016 nieder, 2021 schied sie aus der BVV aus.
Gabi, du wirst fehlen. Als engagierte Politikerin und unermüdliche Streiterin für soziale Gerechtigkeit, als aufmerksame Diskussionspartnerin und hilfsbereite Freundin, als Mensch.
Bernd Szczepanski
Carola Scheibe-Köster
Wolfgang Ewert
Jochen Biedermann
Marianne Burkert-Eulitz