Neuköllner Straße nach Lucy Lameck benannt

Am 23. April 2021 wurde die Wissmannstraße in Neukölln zur Lucy-Lameck-Straße umbenannt. Namensgeberin ist eine bedeutende tansanische Politikerin, die erste Frau im tansanischen Regierungskabinett nach der Unabhängigkeit. Mit dem Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung im November letzten Jahres entspricht der Bezirk den langjährigen Forderungen postkolonialer Initiativen und der Grünen Fraktion: Die Straße glorifiziert nicht länger einen Kolonialverbrecher, sondern erinnert an eine Frau aus der antikolonialen Bewegung in ihrem Heimatland Tansania. Der Einsatz für eine ernstgemeinte antikoloniale Erinnerungspolitik in Berlin ist damit einen wichtigen Schritt vorangekommen.

Seit 15 Jahren haben die Neuköllner Grünen öffentlich und in der Bezirksverordnetenversammlung für die Umbenennung der Wissmannstraße gekämpft. Denn die Straße in der Nähe des Hermannplatzes war nach dem Kolonialverbrecher Herrmann von Wissmann benannt, der den Widerstand der Bevölkerung gegen die brutale deutsche Kolonialherrschaft im damaligen Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania brutal niederschlug.

In einem Beteiligungsverfahren wurden im Juni 2020 Einwohner*innen Neuköllns sowie Neuköllner Initiativen vom Bezirksamt aufgerufen, Namensvorschläge einzureichen. Im September stellte eine 7-köpfige Jury, bestehend aus drei Bürgervertreter*innen, zwei Experten für Neuköllner Geschichte sowie zwei Vertreter*innen postkolonialer Initiativen, drei Namensvorschläge vor: Nduna Mkomanile, Lucy Lameck und Fasia Jansen – drei Schwarze Frauen aus dem antikolonialen und antirassistischen Kontext.

In der Sitzung am 25. November 2020 entschied sich die Bezirksverordnetenversammlung Neukölln mit einer Mehrheit der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE für Lucy Lameck.

In der Begründung der Jury des Beteiligungsverfahrens heißt es: „Lucy Lameck (geboren 1934, gestorben am 21.3.1993) war eine der ersten weiblichen Abgeordneten im tansanischen Parlament und die erste Frau des Landes im Regierungskabinett. In ihrer über 20-jährigen Tätigkeit als Parlamentarierin, u.a. als stellvertretende Ministerin für Kommunalentwicklung und Gesundheit, initiierte sie maßgebliche Gesetzesvorlagen zur Verbesserung der Position von Frauen in der tansanischen Gesellschaft. Neben Julius Nyerere war sie eine wichtige Unterstützerin der panafrikanischen Idee; 1965 hielt sie ihre berühmte Rede „Africans Are Not Poor“, in der sie Afrikas Zukunftspotentiale heraushob. Sie wurde 1993 mit einem Staatsbegräbnis geehrt. Durch die Ehrung einer bedeutenden tansanischen Frau wie Lucy Lameck würde sich Neukölln zumindest symbolisch an der Wiedergutmachung der Kolonialverbrechen beteiligen.“

Samira Tanana, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen BVV-Fraktion Neukölln, erklärt:

„Die Wissmannstraße gehört endlich der Vergangenheit an und macht Platz für die Lucy-Lameck-Straße! Wir Grünen haben uns lange auf den Tag gefreut, an dem Neuköllner*innen mit der Nennung des Straßennamens nicht länger dazu gezwungen sind, einen Kolonialverbrecher zu ehren. Wir freuen uns, dass mit Lucy Lameck das politische Engagement einer Schwarzen Frau im öffentlichen Raum Neuköllns sichtbar wird. Wir danken allen postkolonialen Initiativen, der Jury und den Anwohner*innen, die gemeinsam mit uns für die Umbenennung gekämpft haben.“

Bernd Szczepanski, Fraktionsvorsitzender ergänzt:

„Mit Umbenennungen sind die Verbrechen der Kolonialzeit nicht vergessen. Statt Täter zu ehren rücken an ihre Stelle Menschen, die koloniale Gewalt erlebt haben oder sich für postkoloniale Gerechtigkeit eingesetzt haben. Es gibt in Neukölln leider noch viele Orte, an denen wir uns weiter für eine ernstgemeinte Erinnerungspolitik einsetzen müssen, zum Beispiel auf dem Neuköllner Garnisonsfriedhof. Dort fordern wir die Anerkennung des Völkermords in Namibia und ein würdevolles Gedenken an die Opfer, die Ovaherero und Nama, statt der Ehrung von am Genozid beteiligten deutschen Soldaten.“

 

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Jutta Brennauer
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