Mitbestimmung und Beteiligung

Erfahrungen aus Vergangenheit und Gegenwart zeigen uns: Die Berliner*innen wollen ihre Stadt mitgestalten. Sie sind bereit, loszulegen und Verantwortung zu übernehmen, wenn man sie nur lässt. Ob Großprojekte wie Olympia oder das Bauvorhaben im eigenen Kiez: Bürger*innenbeteiligung und direkte Demokratie bereichern die Stadt und die parlamentarische Demokratie.  

Die erfolgreichen Volksentscheide zum Tempelhofer Feld und zu den Berliner Wasserbetrieben sowie der Beinahe-Erfolg bei der Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung haben einmal mehr gezeigt, dass man mit diesem Instrument etwas erreichen kann. Sie haben aber auch gezeigt, wo Lücken im Verfahren sind und wo nachgebessert werden muss. Wir wollen die direkte Demokratie weiter stärken, indem wir Konsequenzen aus den bisherigen Erfahrungen ziehen. Es ist Zeit für eine neue politische Kultur der echten Mitsprache.    

Direkte Demokratie – was ist das eigentlich?

Neben Beiräten und vielfältigen Beteiligungsverfahren ist die direkte Demokratie ein Element echter Bürger*innenbeteiligung. Sie ergänzt die parlamentarische Demokratie und stärkt damit die demokratische Gesellschaft. Bei direktdemokratischen Verfahren geht es nicht um politische Richtungsentscheidungen, sondern um die Entscheidung konkreter Sachfragen. Die Bürger*innen können unabhängig von Wahlterminen und Parteienpräferenzen politische Entscheidungen mitbestimmen.  

In Berlin umfasst die direkte Demokratie  eine Reihe von politischen Instrumenten, mit deren Hilfe die wahlberechtigte Bevölkerung unmittelbar an der Gesetzgebung des Landes sowie an der Verwaltung der Bezirke mitwirken kann.

Volksbegehren und Volksentscheide eröffnen den wahlberechtigten Berliner*innen auch außerhalb von regelmäßigen Wahlen die Möglichkeit, unmittelbar bestimmte Sachfragen zu entscheiden, Gesetze zu beschließen oder eine vorzeitige Beendigung der Wahlperiode herbeizuführen. Sie sind in Artikel 62 und 63 der Verfassung von Berlin normiert; Einzelheiten sind im Abstimmungsgesetz geregelt.

Auch auf Bezirksebene können die Neuköllner*innen ihren Willen durch Bürger*innenentscheide zur Geltung bringen. Diese sind in Artikel 72 Absatz 2 der Verfassung von Berlin normiert; das Nähere regeln die §§ 45 bis 47 b des Bezirksverwaltungsgesetzes. Bürger*innenbegehren und Bürger*innenentscheid bauen in einem zweistufigen Verfahren aufeinander auf. Mit dem Einwohner*innenantrag können die Bürger*innen außerdem einen Vorschlag zur zwingenden Beratung und Beschlussfassung in die Bezirksverordnetenversammlung einbringen.

Eine ausführliche Übersicht über alle direktdemokratischen Beteiligungsverfahren in Berlin findet sich in dieser Informationsbroschüre.

Eine gut verständliche Erklärung der Spielregeln direkter Demokratie auf Landesebene gibt es hier.

Forderungen in unserem Landeswahlprogramm

Schon lange setzen sich Bündnis 90/Die Grünen auf der Berliner Landesebene für direktdemokratische Verfahren ein. In unserem Programm für die Abgeordnetenhauswahl 2016 lautet deshalb auch das erste unserer 101 Projekte für Berlin: "Mitentscheiden dürfen: Direkte Demokratie besser machen und Wahlrecht erweitern". Konkret fordern wir:  

  • Volksentscheide sollen auf Wunsch der Initiator*innen zwingend gemeinsam mit Wahlen oder anderen Volksentscheiden durchgeführt werden.  
  • Träger*innen eines Volksbegehrens sollen ein Recht auf Anhörung in den Ausschüssen des Abgeordnetenhauses und nach der ersten Stufe ein Recht auf Nachbesserung erhalten.  
  • Die Quoren (die nötige Stimmenanzahl) sollen abgesenkt werden.  
  • Über die Änderung eines Volksgesetzes muss ein erneuter Volksentscheid stattfinden, wenn 2,5 Prozent der Wahlberechtigten dies mit ihren Unterschriften verlangen.  
  • Alle Einwohner*innen Berlins, die mindestens 16 Jahre alt sind, sollen bei Volksbegehren und Volksentscheiden abstimmen können – unabhängig vom Pass.        

Im Parlament hat die Grüne Fraktion gegen das Gesetz zur Änderung abstimmungsrechtlicher Vorschriften gestimmt: Die große Koalition hat darin beschlossen, dass der Senat zukünftig öffentliche Mittel für eigene Kampagnen gegen Volksentscheide aufwenden darf.

Das gesamte Landeswahlprogramm mit unseren 101 Ideen für Berlin gibt es hier zum Download.

Volksentscheid 100% Tempelhof

Im September 2011 gründete sich im Neuköllner Schillerkiez die Bürger*inneninitiative „100 % Tempelhofer Feld. Ihr Ziel: die Bebauung des ehemaligen Flughafens durch direkte Demokratie verhindern. Der Volksentscheid 2014 war ein enormer Erfolg. Bürger*innen aus ganz Berlin sprachen sich für den Schutz des Tempelhofer Feldes aus.

Gleichzeitig kann dieser große Erfolg als ein Misstrauensvotum der Berliner*innen gegen den rot-schwarzen Senat gesehen werden. In vorangegangenen Bürger*innenbeteiligungsprozessen, die bei der Planung von Großbebauungen vorgeschrieben sind, wurden die Bedenken der Bürger*innen einfach übergangen, ob wegen der mangelnden Infrastruktur und Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr oder wegen der Finanzierung von überdimensionierten und nicht durchkalkulierten Großbauten, wie der geplante Bibliotheksneubau.

Nach diesem Erfolg sprach der Regierende Bürgermeister Müller vom "Missbrauch" von Volksentscheiden. Er will stattdessen Volksabstimmungen "von oben", die der Senat zu wichtigen stadtpolitischen Fragen initiieren soll. Dazu passt, dass die rot-schwarze Koalition eine Regelung in das Abstimmungsgesetz geschrieben hat, nach der der Senat "angemessene öffentliche Mittel" für eigene Kampagnen gegen Volksentscheide einsetzen darf.  

Wir haben den Volksentscheid 100% Tempelhof unterstützt. Wir lehnen die Schwächung der direkten Demokratie durch Koalition und Senat ab. Im Abgeordnetenhaus hat die Grüne Fraktion einen Antrag zur Stärkung von Volksentscheiden eingebracht.

Rettet mit uns den Volksentscheid!

Die Berliner*innen wollen ihre Stadt mitgestalten. Das haben die erfolgreichen Volksentscheide zur Offenlegung der Wasserverträge und zum Erhalt des Tempelhofer Feldes gezeigt. Aber in den vergangenen Jahren mussten wir immer wieder die Erfahrung machen, dass der Senat die Initiativen für Volksentscheide bewusst behindert. Einige Beispiele:

  • 2013 weigerte sich der Senat, den Termin für den  Energie-Volksentscheid auf die Bundestagswahl zu legen, obwohl das möglich gewesen wäre.
  • Das Gesetz zum Schutz des Tempelhofer Feldes wurde von der Koalition einfach per Abstimmung im Abgeordnetenhaus geändert.
  • Die Koalition hat ein Gesetz beschlossen, nach dem der Senat künftig öffentliche Gelder für eigene Kampagnen gegen Volksentscheide einsetzen darf. Die Initiativen finanzieren sich dagegen komplett aus Spenden und werden von Ehrenamtlichen organisiert.

Aus dem Widerstand gegen diese Haltung des Senates ging Anfang 2016 die Initiative "Volksentscheid-Retten" hervor. Über 70 Berliner Initiativen schlossen sich darin zusammen, um gegen Einschränkungen der direkten Demokratie aktiv zu werden. Mittlerweile ist Zahl der Unterstützer*innen auf über 100 Initiativen angewachsen. Dafür sollen eine Reihe von Änderungen der §§ 62 und 63 der Berliner Verfassung zur Abstimmung gestellt werden:

  • Einführung eines Referendums zum Schutz von Volksgesetzen (Hamburger Modell)
  • Senkung der Quoren für einfache Gesetze und Verfassungsänderungen,
  • verbindliche Fristen für Kosten- und Zulässigkeitsprüfung durch den Senat
  • verbindliche Abstimmungstermine.

Im Juli 2016 hat die Initiative Unterschriften von mehr als 70.000 Berliner*innen an die Senatsverwaltung übergeben. Damit ist die erste Stufe geschafft, der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens ist gestellt. Im nächsten Schritt übergibt der Senat den Gesetzesentwurf der Initiative dem Abgeordnetenhaus und nimmt dazu Stellung. Der angestrebte Abstimmungstermin für den Volksentscheid ist der Tag der Bundestagswahl 2017.

Die Neuköllner Grünen unterstützen die Initiative "Volksentscheid-Retten". Dazu wurde in einer Mitgliederversammlung am 12. Juli folgender Beschluss gefasst:

Bündnis 90/Die Grünen Neukölln unterstützen das Volksbegehren "Volksentscheid retten"

In der Initiative "Volksentscheid retten" haben sich rund 100 Bürger*inneninitiativen zusammengeschlossen, um zur Bundestagswahl 2017 einen Volksentscheid zu erwirken, der die Hürden für diese Form der Bürger*innenbeteiligung senken soll. Unter anderem fordert die Initiative eine Absenkung des Quorums für Volksbegehren und -entscheide und die Durchführung von
Volksentscheiden an Wahlterminen. Auch wir Grüne Neukölln setzen uns für bessere Beteiligungsmöglichkeiten der Berliner*innen ein und unterstützen das Volksbegehren "Volksentscheid retten". Der Umgang des Senats mit dem erfolgreichen Volksentscheid zum Tempelhofer Feld zeigt, dass eine Verbesserung der gesetzlichen Lage dringend erforderlich ist, um Volksbegehren und -entscheide wirklich zu einem Instrument für mehr Demokratie zu machen.

Weitere Informationen zur Initiative "Volksentscheid-Retten" gibt es auf https://www.volksentscheid-retten.de/.

Volksentscheid Fahrrad erobert die Straßen

Die Initiative "Volksentscheid Fahrrad" hat am 14. Juni 2016 mit 105.000 Unterschriften nach nur einem Monat Sammlung ein Vielfaches der für die erste Stufe eines Volksbegehrens erforderlichen 20.000 Unterschriften eingereicht.

Auch für diesen Volksentscheid haben wir mit auf der Straße gestanden. Wir wollen, dass es mit der Förderung des Radverkehrs in Berlin endlich vorangeht. Immer mehr Menschen fahren mit dem Fahrrad und tragen so zur Vermeidung von Abgasen, Lärm und Feinstaub bei.

Die Initiative hat zum Ziel, mehr Platz und mehr Sicherheit für Radfahrer*innen in Berlin zu schaffen. Dazu gehören unter anderem sichere Fahrradstraßen, breite Radverkehrsanlagen an den Hauptstraßen, die Sicherung von gefährlichen Kreuzungen, die Schaffung von Radabstellmöglichkeiten sowie mehr Personal in der Berliner Verwaltung zur Umsetzung der Ziele.

Ein gleichberechtigtes Miteinander aller Verkehrsteilnehmer*innen muss möglich sein. Dazu gehört auch mehr Platz und Sicherheit für Fußgänger*innen. Aktuell müssen Radfahrer*innen oftmals Fußwege mitnutzen, weil es auf den Straßen keinen Platz gibt bzw. zu gefährlich ist. Die Ziele des „Volksentscheid Fahrrad“ denken auch diesen Aspekt mit.

Weitere Informationen zum Volksentscheid Fahrrad sind auf www.volksentscheid-fahrrad.de zu finden.

Weitere Informationen zur Grünen Fahrradpolitik in Neukölln gibt es auf <link fahrrad external link in new>www.gruene-neukoelln.de/fahrrad.

Neuköllner*innen für Milieuschutz – direkte Demokratie auf Bezirksebene

In ganz Berlin sind die Mieten dramatisch gestiegen – besonders stark im Neuköllner Norden. Hier stiegen die Mieten bei Neuvermietung zwischen 2009 und 2014 um über 50 Prozent, mehr als irgendwo sonst in Berlin. Deshalb werden immer mehr Menschen aus Neukölln verdrängt.

Ein Instrument, um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, ist die Einrichtung von Milieuschutzgebieten. Damit können etwa Luxusmodernisierungen und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verhindert werden.

Nach jahrelangem Kampf wurde der Milieuschutz für insgesamt fünf Neuköllner Gebiete beschlossen. Ausschlaggebend war dabei ein Instrument der direkten Demokratie: Im August 2014 startete die Neuköllner Nachbarschaftsinitiative eine Unterschriftensammlung für einen Einwohner*innenantrag. Dieser forderte, den gesamten Neuköllner Norden unter Milieuschutz zu stellen. 3500 Neuköllner*innen unterzeichneten den Antrag – drei Mal so viele wie benötigt.

Dieses deutliche Signal brachte endlich Bewegung in die zähen Verhandlungen. SPD und CDU lehnten den Milieuschutz lange Zeit ab. Es gebe, so die Haltung der Zählgemeinschaft, kein Milieu, das man schützen wolle. Verdrängung wurde damit nicht nur hingenommen, sondern begrüßt. Wir Grüne kämpften lange gegen diese Haltung an. Bereits seit 2009 setzen wir uns für die Einrichtung von Milieuschutzgebieten ein. Seit 2011 haben wir das Thema verstärkt in einer Vielzahl von Anträgen, Anfragen und Aktionen immer wieder aufgegriffen.

Aber erst in der Diskussion des Bürger*innenantrags in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gelang es endlich, einen Mehrheitsbeschluss für Milieuschutz im Norden Neuköllns herbeizuführen. Denn ein solcher Antrag muss in der BVV genauso behandelt werden, wie die Anträge der Fraktionen. Beim Thema Milieuschutz hat sich gezeigt: Direkte Demokratie kann auch auf Bezirksebene ein starkes Instrument sein.  

Weitere Informationen zum Thema Milieuschutz finden sich auf unserer Sonderseite unter www.gruene-neukoelln.de/milieuschutz.

Aktuelle Meldungen zum Thema

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Weitere Infos zu unseren Positionen und Forderungen findest du in unserem Wahlprogramm im Kapitel "Ein modernes und zukunftsorientiertes Bezirksamt – gut ausgestattet und beteiligend". Das gesamte Programm als PDF zum Download gibt es hier.

Das Landeswahlprogramm zur Abgeordnetenhauswahl 2016 mit unseren 101 Ideen für Berlin gibt es hier zum Download.