Wo geht’s denn hier zur Selbstbestimmung?!

Frauen*gremien sind kein Gedöns – hier wird Politik gemacht. Diese feministische Grundüberzeugung hat wohl alle 90 grünen Frauen begleitet, als wir uns trotz Wochenende und Regenwetter an einem frühen Samstagmorgen in der Berliner Weiberwirtschaft zur Frauen*vollversammlung getroffen haben. Mit 12 Neuköllner*innen waren wir bestens vertreten und haben unsere Perspektiven zum diesjährigen Thema „Selbstbestimmung“ eingebracht.

Gerade in Zeiten, in denen anti-emanzipatorische Stimmen Aufwind erfahren, ist es an uns Grünen, grundlegende feministische Errungenschaften für alle Geschlechter zu verteidigen und uns weiterhin entschieden für mehr Selbstbestimmung und Gerechtigkeit einzusetzen. Was aber verstehen wir grüne Frauen* unter emanzipatorischer und progressiver Selbstbestimmung? Erste Anstöße dafür lieferte Antje Schrupp, feministische Politologin, Autorin, Bloggerin und Journalistin, in ihrer Keynote. Sie betonte die Vielschichtigkeit der Freiheit und führte an, dass wir für einen solidarischen Feminismus wirkliches Interesse für die Andere*, ihre Lebenssituation und Motivation brauchen. Denn freie Frau* kann mensch auf ganz verschiedene Weise sein. Oder wie es Rhea, unsere frauen- und geschlechterpolitische Sprecherin des Landesverbandes, zusammenfasste:

Für Antje heißt Freiheit das eigene Begehren zu finden und umzusetzen. Sie plädiert für einen radikalen Feminismus: Erst das nonkonforme Denken, Wünschen, Begehren kann die Grundlage für das Handeln sein, mit welchem bestehende Missstände überwunden werden. Frauen* brauchen sich für das, was sie wollen – oder eben nicht wollen – nicht zu rechtfertigen und müssen sich erst recht nicht dem allseits gerne angewandten Nützlichkeitsdiskurs beugen.

Die Keynote sorgte für reichlich Diskussionsstoff. Wir fragen uns, wie wahres Begehren zu finden ist und mehr Freiheit für alle erreicht werden kann - angesichts systemischer Zwänge und Benachteiligungen. Ist Selbstreflektion über Begehren und die Umsetzung nicht auch eine Frage von Ressourcen und Privilegien? Gerade in unserem Bezirk müssen viele Frauen* in prekären Verhältnissen leben. Das müssen wir auf politischer Ebene ändern, damit Frauen* mehr Möglichkeiten zur Selbstbestimmung haben. In den vier anschließenden Workshops zu den Themen selbstbestimmtes Leben im Alter, Kleidung und Vielfalt der selbstbestimmten Ausdrucksformen, Werbung, Pornografie und Sexarbeit zwischen Sexismus und Selbstermächtigung, und Vielfalt der Geschlechtsidentitäten, haben wir reichlich Diskussions- und Arbeitsbedarf aufgezeigt.

Ganz konkreten feministischen Handlungsbedarf gibt es bei der kommenden Landesdelegiertenkonferenz: Durch die Einführung eines Delegiertensystems soll das Frauen*gremium endlich praktisch handlungsfähig werden und die bestehenden Kompetenzen auf sichere Füße gestellt werden. Damit wird nicht nur theoretisch, sondern auch real Raum für die grün-feministische Überzeugung der konsequenten Beteiligung der Frauen*perspektive in allen Politikbereichen geschaffen. Der Satzungsänderungsantrag zur Reform der Frauen*vollversammlung wurde vorgestellt und diskutiert. Eine überwältigende Mehrheit der Frauen*vollversammlung sprach sich für den Antrag aus.

Für uns steht fest: Für Selbstbestimmung und Gerechtigkeit ist ein starkes und arbeitsfähiges Frauen*Gremium unumgänglich.

Grün-lila Grüße,

Anna und Vivian