Notizen aus der BVV vom 25. März 2009

Bürger_innen fragen

Die März-Sitzung der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung begann mit einer Bürger_innenfragestunde. Neben Fragen zur Verkehrslenkung in der Karl-Marx-Straße, dem Betrieb einer Freizeiteinrichtung in der Hufeisensiedlung sowie dem leidigen Thema Hundekot wurde zum Thema „Campus Rütli“ gleich mehrfach gefragt. Dies gab Bezirksstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD) Gelegenheit, dieses Projekt nochmals ausführlich zu erläutern: Der gesamtpädagogische Ansatz des Konzeptes zum Campus Rütli sieht die Einbeziehung aller auf dem Gelände liegenden Einrichtungen vor. Die Gemeinschaftsschule ist bereits im letzten Sommer gestartet. Planung und Finanzierung einer Quartiers-Sporthalle sind unter Federführung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Vorbereitung, hierfür stehen 4,9 Millionen Euro bereit. Prognostizierte Schüler_innenzahlen für diesen Bereich machen den Neubau einer Grundschule unumgänglich. Schlechte Nachricht für Kleingärtner_innen: Die notwendigen Pausen-, Bewegungs- und Sportfreiflächen machen es erforderlich, auch die Fläche der Kleingartenanlage „Hand in Hand“ einzubeziehen.

Bürger_innen protestieren

Zu Beginn der ordentlichen Sitzung der BVV wurden die Bezirksverordneten mit dem Unmut einiger meist jugendlicher Bürgerinnen und Bürger konfrontiert: "NPD raus aus öffentlichen Räumen" stand auf einem Banner, das die Protestierer_innen auf der Besuchertribüne entrollten. Dies wiederum erzeugte beim Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) Unmut und Verärgerung. In einem zuvor an die Bezirksverordneten verteilten Flugblatt wurde behauptet: "Überall werden der NPD Räume und Zusammenarbeit verwehrt. Nur nicht hier in Neukölln." Dies, so Buschkowsky, sei objektiv falsch und mache ihn deshalb ärgerlich. Mit einem Seitenhieb auf die Reinickendorfer CDU-Bürgermeisterin Wanjura bemerkte er, er wolle sich nicht erst durch ein Gericht auf das Prinzip der Rechtstaatlichkeit hinweisen lassen. Dieses Prinzip zwinge ihn, einer demokratisch gewählten Partei öffentliche Räume im Bezirk zur Verfügung zu stellen. Die Kritik Buschkowskys ist zwar sachlich und rechtlich nachvollziehbar, war aber in dieser Schärfe leicht überzogen.

Autobahnplanung – keine Fragen erlaubt

Warum bei der Auslegung der Planungsunterlagen zum Weiterbau der A 100 im Rathaus Neukölln "keine Fragen beantwortet oder Fachauskünfte gegeben" werden und ob damit nicht "die gesetzliche Möglichkeit beschnitten wird, Einwendungen zu erheben", wollte der grüne Bezirksverordnete Bernd Szczepanski in seiner Mündlichen Anfrage vom Bezirksamt wissen. Antwort von Bezirksstadtrat Thomas Blesing (SPD): Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung habe die Verantwortung an den Bezirk Treptow-Köpenick delegiert, denn sie habe nur einen Mitarbeiter, den sie dafür "abstellen" kann. Die denkbar schlechteste Anbindung des Rathauses Treptow in der Neuen Krugallee habe man leider außer Acht gelassen. Blesing räumte aber auch ein, Auskunftsersuchen, die "direkte Neuköllner Fragen" bei der Auslegung betreffen, werden natürlich von einem seiner Mitarbeiter_innen beantwortet. Nachsatz: Es wird beobachtet, dass Fragen zur A 100 von der Neuköllner SPD höchst misstrauisch beäugt werden und mit Hinweis auf die Zählgemeinschaftsvereinbarung kritisiert werden. Warum eigentlich?

"Kindl-Gelände – und nun?"

Falko Liecke, Fraktionschef der Neuköllner CDU stellt diese leicht provokante Mündliche Anfrage, um Neuigkeiten zur anstehenden Planung zu erfahren. Stadtrat Blesing meldete "erfreulich Fortschritte": Die Ansiedlung einer universitären Einrichtung nimmt Gestalt an, denn es gibt konkrete "Kontakte mit Professor_innen interessierter Privat-Universitäten aus Pacific-Anrainer-Staaten". Für Anfang Mai ist dazu ein Workshop im Rathaus Neukölln vorgesehen. Auch der Bauantrag für ein Dialyse-Zentrum ist in Arbeit und für die Preußhalle hat eine Lebensmittelfilialkette "großes Interesse an einer Vollsortimentfiliale". Und auch das noch: Eine Brauereigaststätte unter der Sudkesselhalle wird bald ihre Tore öffnen.

Europäische Euros für Neukölln

Mit einer Großen Anfrage begehrte die SPD-Fraktion Auskunft über die Nutzung des Europäischen Strukturfonds, über Förderschwerpunkte und –projekte. Aus der umfangreichen Beantwortung des Bezirksbürgermeisters: Europa bzw. die EU hat seit dem Jahr 2000 für Neukölln rund 1000 Projekte mit einem Betrag von insgesamt 30 Millionen Euro gefördert!

Im Bereich des Europäischen Sozialfonds standen dabei Projekte zum Beispiel zur Förderung von Neuköllner Existenzgründungen, zur Beratung von Unternehmen, zur Integration von Langzeitarbeitslosen, zur Qualifizierung und Berufsorientierung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Vordergrund.

Im Bereich der Wirtschaftsförderung und der Infrastrukturentwicklung werden drei Projekte vom Bezirk gesteuert: Soziale Stadt – hier werden von 2007 bis 2009 insgesamt 5,1 Millionen Euro von der EU für Neuköllner Quartiersmanagement-Gebiete eingesetzt, aus Bundes- und Landesmitteln kommen (als Kofinanzierung) noch 8,2 Millionen dazu. Stadtumbau West – hier werden für das Gebiet Neukölln-Südring 5,2 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung bereit gestellt.

Als wirtschaftsdienliche Maßnahme soll die Stärkung der regionalen Wirtschaftskraft auf Ebene der Berliner Bezirke durch die EU gefördert werden. Dafür gehen über 400.000 Euro aus EU-Mitteln nach Neukölln, davon 102.000 Euro in das Projekt Zukunft Rudow 315.000 Euro in das Projekt Neuköllner Gewerbehöfe.

Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky vergaß auch nicht, der Neuköllner Europa-Beauftragten Franziska Giffey ein "dickes Lob" zu zollen für ihr segensreiches Wirken für den Bezirk Neukölln. Sie würde beweisen, dass Europa in Neukölln ankommt, in jeder Beziehung.

Auch Brandbriefe aus Neuköllner Kitas?

Eine Große Anfrage der CDU-Fraktion will die wirtschaftliche Situation des Kita-Eigenbetriebes Südost hinterfragen. Gewohnt ausführlich geht die Jugendstadträtin Gabriele Vonnekold (Grüne) auf die Fragen ein: Der Eigenbetrieb schließt für das Jahr 2007 mit einem deutlich positiven Ergebnis ab und auch 2008 wird ein positives Ergebnis erwartet. Die Personalsituation – es fehlen derzeit 30 Erzieher_innen – führt dazu, dass der Eigenbetrieb seine Platzkapazitäten nicht in vollem Umfang anbieten kann. Besonderen Stellenwert in den Neuköllner Kindertagesstätten hat die Sprachförderung. Der Eigenbetrieb Südost legt großen Wert auf die Beschäftigung von pädagogischem Personal mit Migrationshintergrund, besonders mit den Muttersprachen Türkisch und Arabisch. Auf eine entsprechende Frage räumt Frau Vonnekold ein, dass es bessere und effektivere Rechtsformen zur Führung von Kindertagesstätten gibt, dies war immer die Meinung des Bezirksamtes. Aber nicht die Rechtsform, sondern die Personalgewinnung und –entwicklung geben Anlass zur Sorge. Dennoch rechnet die Jugendstadträtin nicht mit Brandbriefen.

Für die Fachausschüsse

Eine Reihe von Anträgen wird dafür sorgen, dass die Fachausschüsse der BVV weiterhin hohen Diskussion- und Abstimmungsbedarf haben werden: Negativliste für Schmuddelrestaurants, Ordnungsämter, anonyme Geburt im Vivantes-Klinikum ermöglichen, mehr Grün für Neuköllns Straßen, besserer Kundenservice im JobCenter, ein Öko-Investitionsprogramm für Berlins Bezirke - das sind Themenfelder, die es in Zukunft zu bearbeiten gilt.

Jürgen Biele