Notizen aus der Bezirksverordnetenversammlung vom 09. Juli 2008

Radio Multikulti muss bleiben

Mit einer von einer großen Mehrheit getragenen Entschließung forderte die BVV Neukölln in ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause „den Erhalt von Radio Multikulti“. Sie sei bestürzt über die Ankündigung des Rundfunkrates des rbb, dieses einmalige Programm zum Jahresende einzustellen. Radio Multikulti leiste mit seinem Programm in 21 verschiedenen Sprachen wertvolle Beiträge für die Integration in unserer Region, bekräftigten die Bezirksverordneten und erinnerten daran, dass dieses Programm 1994 auch als Antwort auf die Welle rassistischer Anschläge in Mölln, Solingen, Rostock und Hoyerswerda ins Leben gerufen wurde.

Die CDU-Fraktion, die eine Entschließung als „das falsche Instrument“ ansah, enthielt sich bei der Abstimmung, FDP und (wen wundert‘s!) der NPD-Verordnete stimmten gar dagegen!

Autofreie Zone Alt-Rixdorf?

In einer Mündlichen Anfrage der CDU stellt der Bezirksverordnete Conrad Clemens „besorgt“ diese Frage und wollte wissen, ob durch die Ergebnisse der Bürger_innenbefragung zur Umgestaltung des Böhmischen Dorfes, die den Anwohner_innen am 3. Juli vorgestellt worden waren, „ursprüngliche Überlegungen von Straßensperrungen im Bereich des Richardplatzes oder gar ein autofreies Böhmisches und Deutsches Dorf“ damit vom Tisch sind.

Baustadtrat Thomas Blesing (SPD) beantwortete diese Frage mit einem klaren Nein. Die vorgestellten Planungsvarianten seien erst ein Zwischenstadium und noch nicht abgeschlossen oder gar endgültig. Nach der Sommerpause würden sich alle Beteiligten, auch die Fachausschüsse der Neuköllner BVV, nochmals dazu äußern. Eine Entscheidung sei nicht vor Jahresende zu erwarten.

Berlin stärkt seine Zentren

Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Dr. Sylvia Stelz, wollte in einer Mündlichen Anfrage wissen, wie es zum Wettbewerbserfolg der „Aktion! Karl-Marx-Straße“  beim Bund-Länder-Förderprogramm „Aktive Stadtzentren“ kam und wie es die Umsetzung des Projektes befördern wird. Dazu Stadtrat Blesing: Im Wettbewerb um die Aufnahme von Zentren ins neue Förderprogramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ wurden Konzepte für 17 Berliner Zentren eingereicht. Ein von der Abteilung Bauwesen eingebrachtes Entwicklungskonzept „Aktion! Karl-Marx-Straße" wurde ab 2009 in die Förderung zur Realisierung aufgenommen. Konkrete Mittelzusagen gebe es jedoch noch nicht. Als ersten sichtbaren Erfolg des Neuköllner Aktionsplans nannte Blesing das geplante Beleuchtungskonzept für die Passage in der Karl-Marx-Straße.

Streik im öffentlichen Dienst

"Mit welchen Maßnahmen will das Bezirksamt sicherstellen, dass die Ordnungsämter und andere bestreikte Dienststellen ihre Dienste für die Bürger_innen weiterhin gewährleisten können?" fragte für die Fraktion der Grauen Wolfgang Rühlmann. In seiner Antwort versicherte Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, dass spezielle Maßnahmen nicht erforderlich seien, da „nur 25 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter streiken“ und somit „die Aufgabenwahrnehmung gesichert“ sei. Dennoch sei zeitweise nur das Bürger_innenamt im Rathaus Neukölln für alle Aufgaben gerüstet. Aber, so Buschkowsky, „Beeinträchtigungen sind schließlich das Ziel eines Streikes.“ Die Stadträtin für Bürger_innendienste und Gesundheit ergänzte: Wegen verbaler Angriffe auf nichtstreikende Mitarbeiter_innen sei auch schon ein Wachschutz in die Donaustraße gerufen worden.

Beschlussempfehlungen aus den Ausschüssen…

Auf Antrag der Grünen beschloss die BVV, einer Empfehlung der Ausschüsse für Naturschutz und Grünflächen und Stadtentwicklung zu folgen und „zu prüfen, welche Neuköllner Kleingartenkolonien … planungsrechtlich gesichert werden können."

Auch Hanna Schumacher (Grüne) hatte mit ihrem Antrag, „die Quartiersmanagements … über Planungsentscheidungen, insbesondere Baupläne, städtebauliche Rahmenpläne, Rechtsverordnungen, wie Erhaltungsverordnungen und Verkehrssteuerungs- und Verkehrsberuhigungsmaßnahmen rechtzeitig zu informieren", Erfolg: Die Ausschüsse für Stadtentwicklung sowie für Verwaltung und Gleichstellung empfahlen der BVV die Annahme des Antrages und die folgte dem Votum, nur die FDP stimmte mit Nein.

Bei der Beurteilung des Rauchverbotes war sich die BVV uneins. In geheimer Abstimmung (!) wurde mit 32 Ja- und 15 Nein-Stimmen gefordert,  „inhabergeführte Einraumeckkneipen vom Rauchverbot auszunehmen“ und mit 29 Ja- und 18 Nein-Stimmen gar verlangt, „das Nichtraucher_innenschutzgesetz in seiner derzeitigen Fassung zu lockern“ und den Gaststättenbetreiber_innen selbst zu überlassen, den Nichtraucher_innenschutz umzusetzen.

Parteiveranstaltungen in Kitas?

Eine Große Anfrage der SPD befasste sich mit dem Genehmigungsverfahren bei privaten oder politischen Veranstaltungen in Kitas. Hintergrund: In einer Rudower Kita fand Ende Juni ein sogenannter Gesundheitstag statt. Als Veranstalter outete sich auf der letzten Seite eines Flyers die CDU Rudow, gemeinsam mit dem Freundesverein der Kita. Das fand die SPD unerhört, zumal der Eigenbetrieb Südost der Kitas nur in letzter Minute informiert und um Genehmigung gebeten wurde. Die Neuköllner Jugendstadträtin Gabriele Vonnekold (Grüne) beantwortete die SPD-Anfrage formal korrekt mit dem Hinweis, dass in solchen Fällen Anträge zur Raumvergabe an die Verwaltung des Eigenbetriebes zu stellen sind und gegebenenfalls eine Nutzungsvereinbarung abzuschließen ist. „Das Bezirksamt betrachtet es nicht als statthaft“, wenn in der Werbung für Parteiveranstaltungen Amts- und Dienstbezeichnungen von Angehörigen des Bezirksamtes verwendet werden.

Diese formale Antwort der Jugendstadträtin konnte die SPD-Fraktion jedoch nicht beruhigen: Der Fraktionsvorsitzende Jürgen Koglin warf der CDU vor, hier hätte eine „Parteiveranstaltung nach Gutsherrenart“ stattgefunden. Sein Vorwurf an die Neuköllner Gesundheitsstadträtin Stefanie Vogelsang (CDU): Sie hätte die Veranstaltung als Gesundheitsstadträtin machen sollen und nicht als Neuköllner CDU-Vorsitzende. Der Rudower CDU-Bezirksverordnete Felix Kulick keilte zurück: Die SPD wollte eine Veranstaltung torpedieren, die sie selbst in Rudow „nicht zustande gebracht“ habe.

Einbürgerungen in Neukölln

Welche Erfahrungen das Bezirksamt mit dem neuen Einbürgerungsrecht gemacht habe, wollte die CDU mit einer Großen Anfrage erkunden, und welche Einschätzung es zu den Einbürgerungstests hat. Aus der Antwort der zuständigen Stadträtin Vogelsang: Jetzt werden Jugendliche, die sich nicht um Bildung und Ausbildung kümmern, nicht mehr privilegiert und für kriminelle Jugendliche wird es schwer, eingebürgert zu werden. Zu den Tests: Der Fragenkatalog umfasst 310 Fragen. Daraus werden dem „Einbürgerungswilligen“ 30 Fragen vorgelegt, von denen er 17 richtig in 60 Minuten beantworten muss. Vogelsang selbst schaffte (nach eigenen Aussagen) 200 Fragen in 20 Minuten zu beantworten (richtig, hoffen wir!). Schüler_innen mit Abschluss müssen übrigens den Test nicht ablegen, um Deutsche_r zu werden. Die Zahlen der Einbürgerungen in Neukölln, so die Stadträtin, sind leicht rückläufig.

Familien sollen Politik gestalten

Zur Bedeutung des Familienbeirates stellte die SPD-Fraktion eine Große Anfrage. Die Jugendstadträtin Gabriele Vonnekold dazu: Der Familienbeirat soll den Senat beraten und die Interessen der Familien in die Politik einbringen. Seine Mitglieder werden berufen aus „allen relevanten Organisationen“. Ein Bezirksamt ist nicht vertreten. Der Beirat wird auch, so Vonnekold, als wichtig für die Entwicklung der Kinder angesehen. Die wird in Veranstaltungen und Foren deutlich.

20 Anträge zu behandeln

Über mangelnde Hausaufgaben hatte sich die BVV kurz vor der Sommerpause nicht zu beklagen: Vom Netzwerk „Ehrenamt Neukölln“ über Verkehrsschilder und Fahrradrouten bis hin zur Mitgliedschaft im Weltbürgermeisterrat zum Klimawandel reicht das Spektrum der Anträge, die in die Fachausschüsse überwiesen wurden.

Höchst ärgerlich die Abstimmung über einen Antrag der Linken: "Das Bezirksamt möge doch die Initiative zum Kommunalen Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und –bürger aktiv unterstützen" wurde mit 25 zu 22 Stimmen abgelehnt. Kein Ruhmesblatt für die Zählgemeinschaft SPD/Grüne/Linke. Nachbesserung tut not!