Kleine Anfrage (KA/055/XIX): Nachhaltige Beschaffung

Fragestellerin: <link neukoelln bvv-fraktion mitglieder hanna-schumacher.html internal-link>Schumacher, Hanna

Eingang: 20. November 2012

Beantwortet: 11. Dezember 2012

 

Nachhaltige Beschaffung

  1. Wie hat der Bezirk die Vergabegesetze (Neuerung 2010 und 2012) Berlins umgesetzt?
  2. Sind in Ausschreibungen des Bezirks bisher Mindestlohn, ILO-Kernarbeitsnormen und ökologische Kriterien vorgesehen? Wenn ja
    1. welche Kriterien und wie werden sie in der Ausschreibung verankert?
    2. wie wird die Einhaltung der Kriterien überprüft?
    3. wie viele Bieter-/Eigenerklärungen wurden bisher abgegeben und wie wird die Einhaltung überprüft?
  3. Wie viel Prozent der Beschaffungen liegen unter 500 Euro, wie viele unter 10.000 Euro?
  4. Wie beurteilt das Bezirksamt die Möglichkeit, einen niedrigeren Schwellenwert zu verwenden, als die im geänderten Vergabegesetz vorgesehenen 10.000 Euro?
  5. Welche Maßnahmen hat das Bezirksamt ergriffen, um außerhalb von  Ausschreibungen Nachhaltigkeitskriterien bei der Beschaffung zu berücksichtigen?
  6. Haben Mitarbeiter_innen des Bezirksamts in den letzten 5 Jahren Fortbildungen zu dem Thema nachhaltige Beschaffung besucht oder sind hausinterne Schulungen hierzu durchgeführt worden?
  7. Gibt es andere Aktivitäten des Bezirksamt zur Förderung einer nachhaltigen Beschaffung des Bezirks?

 

Antwort des Bezirksamtes:

Sehr geehrte Frau Schumacher,

das Bezirksamt beantwortet Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

Zunächst weise ich darauf hin, dass es im Bezirk Neukölln keine zentrale Vergabestelle gibt; insoweit erfolgen die Stellungnahmen teilweise nach Bereichen unterteilt.

 

Zu 1. Wie hat der Bezirk die Vergabegesetze (Neuerung 2010 und 2012) Berlins umgesetzt?

Gesetzliche Änderungen sind durch Anpassungen der Vergabeunterlagen entsprechend den geltenden gesetzlichen Vorgaben umgesetzt worden. Die erforderlichen Änderungen werden durch Rundschreiben der zuständigen Senatsverwaltungen regelmäßig bekanntgegeben bzw. von dort entsprechend aktualisiert (z.B. ABau der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt) und zur Verfügung gestellt.

 

Zu 2. Sind in Ausschreibungen des Bezirks bisher Mindestlohn, ILO-Kernarbeitsnormen und ökologische Kriterien vorgesehen? Wenn ja,

a) welche Kriterien und wie werden sie in der Ausschreibung verankert?

Grundsätzlich werden folgende Kriterien in den Ausschreibungen als Vertragsbestandteil (Besondere Vertragsbedingungen) verankert:

Tariftreueerklärung:gemäß den gesetzlichen Vorgaben (derzeit 8,50 € Mindestlohn)
ILO-Kernarbeitsnorm:gemäß den gesetzlichen Vorgaben unter Beachtung der Produktgruppe
Umwelt:gemäß den gesetzlichen Vorgaben, abhängig vom Auftragsgegenstand

Bei der Vergabe von Dienstleistungen - Jugendhilfeleistungen besteht ein Fachkräftegebot, das die Vorschriften zum Mindestlohn und die ILO-Kernarbeitsnormen deutlich übersteigt, die somit nicht Bestandteil der Vergabeverfahren sind.

b) wie wird die Einhaltung der Kriterien überprüft?

Zunächst geben die Bieter mit ihrem Angebot die geforderten Eigenerklärungen ab. Abhängig vom Auftragsgegenstand werden Nachweise entsprechend § 4 des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes (BerlAVG) in Form von Zertifikaten, sofern vorhanden etc., gefordert. Gemäß § 8 Absatz 3 Satz 2 BerlAVG wird die bestmögliche Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen bei der Vorlage der unter <link http: www.kompass-nachhaltigkeit.de external-link-new-window external link in new>www.kompass-nachhaltigkeit.de aufgeführten Produkt-Zertifikate vermutet, sofern diese ausdrücklich die Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen gemäß § 8 Absatz 1 BerlAVG beinhalten.

Hinsichtlich des Mindestlohnes findet eine Plausibilitätsprüfung des Angebotspreises unter Einbeziehung des kalkulierten Stundenverrechnungssatzes statt. Darüber hinaus werden stichprobenartige Kontrollen im Nachgang durch Vergabestelle bzw. Fachbereich durchgeführt. Hinweisen auf Nichteinhaltung bestimmter Voraussetzungen wird konsequent nachgegangen. Der Senat beabsichtigt, eine zentrale Kontrollgruppe einzurichten. Die Umsetzung steht nach wie vor aus.

c) wie viele Bieter-/Eigenerklärungen wurden bisher abgegeben und wie wird die Einhaltung überprüft?

Nach Angabe der Abt. Bauen, Natur und Bürgerdienste beträgt die Anzahl der abgegebenen Erklärungen 100 %, da die entsprechenden Nachweise bei jeder Ausschreibung/Angebotseinholung verbindlich eingefordert und abgegeben werden. Damit ist auch die Einhaltung während der Vollständigkeitsprüfung gewährleistet.

Bei der Abt. BiSchulKuSport und im Bereich SE Facility Management erfolgt keine Zählung der Bieter-/Eigenerklärungen. Demzufolge liegen keine statistischen Angaben zur Anzahl der abgegebenen Erklärungen vor.

 

Zu 3. Wie viel Prozent der Beschaffungen liegen unter 500 Euro, wie viele unter 10.000 Euro?

In der SE Facility Management findet eine Differenzierung nach diesen Wertgrenzen nicht statt.

Die Beschaffungen in der Abt. Jugend und Gesundheit liegen zu 100% unter dem Schwellenwert von 10.000 €. Somit findet das Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG) hier keine Anwendung.

Im Grünflächenbereich liegt der prozentuale Anteil der Beschaffungen unter 500 € bei ca. 65 % und bei den Beschaffungen unter 10.000 € bei ca. 15 %. Die restlichen 20% liegen über 10.000 €.

Im Fachbereich Tiefbau/Strassen werden Verkehrsschilder, Straßenzubehör gemäß einem Rahmenlieferabkommen beschafft. Der Wert aller Bestellungen beträgt im Jahr weniger als 10.000 €. Insofern liegen die Beschaffungen zu 100 % unter dem Betrag von 10.000 €, aber über dem Betrag von 500 €.

Im Stadtentwicklungsamt liegen die Beschaffungen unter 500 Euro bei ca. 70 %, Beschaffungen unter 10.000 € machen etwa 25% aus. Der prozentuale Anteil ist abhängig von Art und Umfang der Beschaffung und unterliegt jährlichen Veränderungen.

Nach Angabe der Abt. BiSchulKuSport werden hierzu keine Erhebungen durchgeführt. Es können lediglich Schätzungen vorgenommen werden, nach denen rund 75 % der Beschaffungen unter 500 € und rund 20 % zwischen 500 und 10.000 € liegen.

 

Zu 4. Wie beurteilt das Bezirksamt die Möglichkeit, einen niedrigeren Schwellenwert zu verwenden, als die im geänderten Vergabegesetz vorgesehenen 10.000 Euro?

Vor Änderung des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes 2012 waren alle dort aufgeführten Regelungen ab einem Auftragswert von 500 € einzuhalten. In der Praxis hat sich diese Grenze nicht bewährt; das Verfahren bindet umfangreiche zeitliche sowie personelle Ressourcen, auch auf Seiten der Bieter. Durch die Vereinheitlichung der Wertgrenzen sollen bürokratische Hemmnisse abgebaut und kleinere Unternehmen, die sonst die hohen Berichts- und Dokumentationsanforderungen nicht leisten könnten, wieder in die Lage versetzt werden, sich an Ausschreibungen und Vergaben zu beteiligen.

Aus fachlicher Sicht gibt es zudem keine Notwendigkeit, die vorhandenen Schwellenwerte zu verändern, zumal dies zu erheblichen Mehrbelastungen im Ausschreibungsverfahren führen würde und mit der derzeitigen Personalausstattung nicht dauerhaft umsetzbar wäre.

 

Zu 5. Welche Maßnahmen hat das Bezirksamt ergriffen, um außerhalb von  Ausschreibungen Nachhaltigkeitskriterien bei der Beschaffung zu berücksichtigen?

Der SE Facility Management liegen außerhalb von Ausschreibungen und Vergaben hierzu keine Erkenntnisse vor.

Auch die Abt. Bauen, Natur und Bürgerdienste verlangt nur innerhalb der durchgeführten Vergaben entsprechende Nachhaltigkeitskriterien.

 

Zu 6. Haben Mitarbeiter_innen des Bezirksamts in den letzten 5 Jahren Fortbildungen zu dem Thema nachhaltige Beschaffung besucht oder sind hausinterne Schulungen hierzu durchgeführt worden?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SE Facility Management nehmen regelmäßig an entsprechenden Fortbildungen teil.

Hierzu teilt die Abt. Bauen, Natur und Bürgerdienste mit, dass Führungskräfte und Mitarbeiter, die mit diesem Thema beschäftigt sind, beständig fortgebildet werden. Beispielsweise besuchte eine Mitarbeiterin des Fachbereichs Grün- und Freiflächen, die für die Beschaffungen zuständig ist, zuletzt am 19.11.2012 eine Veranstaltung in der Verwaltungsakademie zum Thema: Die Vergabe nach Umweltschutzkriterien. Darüber hinaus besuchen die Mitarbeiter des Stadtentwicklungsamtes regelmäßige Vergaberunden der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, in denen Vergabeangelegenheiten in Form von Neuerungen der Vergabegesetze besprochen werden. Diese werden auch als Rundschreiben durch die zuständige Senatsverwaltung den Mitarbeitern zur Kenntnis und Beachtung gegeben, die nicht an diesen Besprechungen teilnehmen.

 

Zu 7. Gibt es andere Aktivitäten des Bezirksamt zur Förderung einer nachhaltigen Beschaffung des Bezirks?

Mit dem Thema "nachhaltiges Bauen" befasst sich der Fachbereich Hochbau der SE Facility Management im Zuge von Modernisierung und Neubau von Schulen. Dazu werden derzeit in Zusammenarbeit mit der Senatsbauverwaltung Anforderungen und Kriterien zur ganzheitlichen Betrachtung und Bewertung von Nachhaltigkeitsaspekten für Gebäude entwickelt. Dabei soll der gesamte Lebenszyklus (50 Jahre) von Gebäuden unter Berücksichtigung der ökologischen, ökonomischen, soziokulturellen Qualität sowie den technischen und prozessualen Aspekten betrachtet werden. Zwei schulische Neubauvorhaben, die Leonardo-da-Vinci-Schule und die Clay-Schule sollen als Pilotprojekte in Berlin zertifiziert nachhaltig und im Niedrigstenergiestandard geplant und gebaut werden.

Im Ergebnis sollte ein transparentes und objektiv nachvollziehbares Bewertungssystem für das nachhaltige öffentliche Bauen in Berlin zur Verfügung stehen und damit die Grundlage für künftige Ausschreibungs- und Vergabeverfahren bilden.

Alle Mitarbeiter/innen der Abt. Bauen, Natur und Bürgerdienste, die für Unterhaltung und Neubau der öffentlichen Anlagen zuständig sind, setzen ihre Kenntnisse und Erfahrungen ein, um nachhaltige, „vandalismussichere“, pflegeleichte Anlagen zu schaffen. Hierbei werden auch stets Neuerungen in der Bautechnik, den Baumaterialien und Baustoffen, besonders im Hinblick auf ihren ökologischen Wert und der anlagenbezogenen Nachhaltigkeit, auch in Bezug auf sich ändernde Nutzerverhalten und neueste technische Entwicklungen, berücksichtigt und eingebracht.

 

Heinz Buschkowsky

Bezirksbürgermeister

 

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