"Ich lasse mich von niemandem ins Bockshorn jagen!"

In der vergangenen ordentlichen BVV erlebte unserer Verordnete Mahi Christians-Roshanai Alltagsrassismus par excellence - und das aus den Reihen der SPD. Dazu bezog sie in der Bezirksverordnetenversammlung am Mittwoch (6. Mai) in einer persönlichen Erklärung Stellung.

Sehr geehrter Herr Vorsteher, sehr geehrte Bezirksverordnete,

in der BVV vom 25. März 2015 und der <link http: www.gruene-neukoelln.de newsletter archiv stacheliger-infobrief-042015 _blank external-link-new-window external link in new>einstündigen Diskussion bezüglich meines Antrags "Leitfaden für Neuköllner Einbürgerungsfeiern“ habe ich das von Herrn Stadtrat Blesing in einem drohenden Tonfall vorgetragene Sprichwort "Man sieht sich immer zweimal im Leben" als sehr verletzend und auch bedrohlich empfunden. Ich habe mich durch die Annahme, ich würde vielleicht dieses deutsche Sprichwort nicht kennen, belehrt und ausgegrenzt gefühlt, da es sich offensichtlich auf meinen kulturellen Hintergrund bezog. Da war es wieder, das Etikett "Migrationshintergrund"!

Allein die Bezeichnung Migrationshintergrund ist so facettenreich wie das Leben der in Neukölln lebenden Menschen. Dass Sprache nicht ausgrenzen sollte und um für den Gebrauch von Sprache und Alltagsrassismus zu sensibilisieren, erhebe ich an 365 Tagen im Jahr meine Stimme. Das war auch meine Motivation, die Redebeiträge in den Einbürgerungsfeiern zu hinterfragen.

Die mir entgegengebrachte Belehrung hat erneut ungewollt sichtbar gemacht, worum es mir mit dem Antrag und der Auseinandersetzung mit den Einbürgerungsfeiern ging. Formen von Alltagsrassismus sind subtil und oftmals unbewusst, nichtsdestotrotz können sie machtvoll und herabwürdigend sein, denn sie schaffen ein Klima der Ausgrenzung ethnischer und kultureller Linien. Diesen immer wieder verleugneten Ausgrenzungspraktiken, denen ich mich bedingungslos und zu jedem Zeitpunkt stelle, gilt meine Kritik.

Dabei war und bin ich immer darauf bedacht, dies freundlich und kooperativ anzubringen und darum bedacht, immer eine Tür für Dialog und gegenseitiges Verständnis offen zu halten. So heißt es im Artikel 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.

Das gilt auch für mich als Bezirksverordnete! Als Kind beidseitig persischer Eltern bin ich in Neukölln geboren und aufgewachsen, Deutsch ist die Sprache, in der ich denke und fühle. Ich habe und hatte immer ein großes Vertrauen und Identifikation in die deutsche Gesellschaft, ihre Werte und demokratischen Institutionen und habe mich daher schon immer aktiv eingebracht und kulturell eingebunden, indem ich zum Beispiel alle christlichen Feste gefeiert habe. Doch trotzdem gehört es bis heute zu meinem Alltag, in meiner Heimat zur "Fremden" gemacht und mental ausgegrenzt zu werden.

Dass ich ein "Mensch mit Deutsch als Zweitsprache sei", habe ich zum ersten Mal in meinem Studium Anfang der 90er Jahre erfahren müssen. Diesen Sätzen bin ich dann immer wieder begegnet: "Du sprichst wirklich gut Deutsch", "Jetzt mal im Ernst: Wo kommst du wirklich her?", "Mein Arzt ist Perser, ein ganz toller Mensch" oder "Ihr habt alle so schöne Haare".  Neulich im Bürgeramt für Fragen rund um die Einbürgerungen hat eine Sachbearbeiterin besonders laut, langsam und deutlich mit mir gesprochen, bis ich ihr sagte, dass ich noch ganz gut höre. Dies alles ist sicher gut gemeint und trotzdem macht es mir vor allem eins klar: Du gehörst nicht zu uns!

Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, die hier geborenen Kinder mit Migrationshintergrund, tragen ein Leben lang die Sehnsucht nach einer emotionalen Heimat in ihrem Herzen. Sie suchen nach Anerkennung in einer Gesellschaft, in der sie aufgewachsen, von der sie geprägt sind und mit der sie sich identifizieren. Und dennoch zahlen sie einen hohen Preis für das Leben in einer deutschen Gesellschaft und sind Fremde im eigenen Land.

Ich sehe es als meine Aufgabe als Bezirksverordnete, eine stabile Brücke zwischen der Neuköllner Öffentlichkeit und der Politik zu schlagen. Ich wünsche mir für die neuen Neuköllnerinnen und Neuköllner ein Willkommen ohne die versteckte Botschaft: so ganz werdet ihr hier nie dazugehören. Ich sehe es als meine Aufgabe, die Augen offen zu halten, zuzuhören, meine Stimme gegen Alltagsrassismus und jede Form von Diskriminierung und Benachteiligung zu erheben.

Mein Name ist Mahi Christians-Roshanai und mein Name drückt meine Zugehörigkeit aus. So bin ich Berlinerin und Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung im wohl weltweit bekanntesten Bezirk. In Neukölln. Und ich lasse mich von niemandem ins Bockshorn jagen!