Bericht aus der BVV vom 28. Januar 2009

Für die erste Sitzung im neuen Jahr hatten einige Stadträt_innen wohl ihren Terminplan noch nicht ordentlich eingerichtet, denn das Bezirksamt war zeitweise nur zur Hälfte anwesend. Die Bezirksverordneten murrten und der amtierende Vorsteher ermahnte das Bezirksamt, die Terminplanung der BVV künftig mehr zu beachten.

Die Sitzung begann mit der mit der Aufarbeitung einiger liegengebliebener Drucksachen aus der Dezember-Sitzung, darunter auch ein CDU-Antrag mit der Forderung "Zweite Stufe der Umweltzone verschieben". Der Antragsteller sah mit der Umsetzung der zweiten Stufe ab 01. Januar 2010 den Mittelstand in seiner Existenz bedroht, da viele Fahrzeuge nicht mit Feinstaubfiltern nachzurüsten sind und daher Neuanschaffungen notwendig wären. Die grüne Bezirksverordnete Hanna Schumacher wies nochmals auf die lebensbedrohende Wirkung von Feinstaub-Emissionen hin und stellte in Abrede, dass die Umweltzone gegen mittelständische Handwerksunternehmen gerichtet sei. Allerding hätte sich auch sie mehr unterstützende Maßnahmen, etwa mehr Ausnahmeregelungen, vorstellen können. Auch Baustadtrat Blesing (SPD) griff in die kontroverse Debatte ein: Schuld sei die Automobilindustrie und deren Unvermögen, entsprechende Filter bereit zu stellen. Schließlich wurde der Antrag mit den Stimmen von SPD, Grüne und Linke abgelehnt.

Abgelehnt wurde auch ein Antrag des grünen Bezirksverordneten Bernd Szczepanski, der, unterstützt von den Grauen, forderte, „dass zur Rettung Neuköllns aus der Sozialkrise eine Milliarde Euro als Sofortmaßnahme bereitgestellt wird“. Mit diesem auch ironisch gemeinten Antrag sollte auf die Aktivitäten der Bundesregierung zur Rettung der selbstverschuldet in Not geratenen Finanzdienstleister hingewiesen werden. "Während sich der Bezirk kaputt spart und sich mit dem Mangel eingerichtet hat, sind plötzlich über 500 Milliarden Euro da, um 'notleidende Banken' zu beschirmen", so Szczepanski. Dieser Bankenschirm würde Neukölln über 1000 Jahre (!) einen ausgeglichenen Haushalt bescheren. Dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Jürgen Koglin war die Situation zu ernst, um sie zu ironisieren.

Der Chronist kann aber auch Erfolge grüner Tätigkeit in der Neuköllner BVV vermelden: So wurden zwei Anträge der grünen Fraktion zum Thema Bauplanung auf dem Tempelhofer Feld beschlossen, die eine stärkere Beteiligung des Bezirks an der Bauleitplanung fordern, dabei erforderliche Infrastruktur sicher stellen, aber gleichzeitig das Areal im Wesentlichen unbebaut lassen wollen. Und falls Wohnraum geschaffen wird, soll der für „breite Schichten der Bevölkerung bezahlbar“ sein. Ferner wurden drei Anträge beschlossen, die sich um ein Klimaschutzkonzept für Neukölln bemühen, eine Beteiligung an Förderprogrammen zur energetischen Gebäudesanierung fordern und CO2-Einsparung vorantreiben wollen. Und dies alles mit ausdrücklicher Unterstützung der CDU-Fraktion!

Beschlossen wurde auch die Investitionsplanung 2009 bis 2013, deren wohl herausragendste Einzelmaßnahmen die Abrisse der asbestbelasteten Schulruinen der ehemaligen Leonardo-da-Vinci- und Clay-Schule sowie deren Neubauten sind.

Eine Große Anfrage der SPD wollte Auskunft haben über „Auswirkungen der neuen Einkommenssteuerpflicht für die Neuköllner Kindertagespflegestellen“. Dazu nahm Jugendstadträtin Gabriele Vonnekold umfangreich Stellung: Im Bezirk Neukölln bestehen 70 Tageseinzelpflegestellen, in denen 124 Kinder betreut werden, 10 Tagespflegen bei denen 11 Kinder im Haushalt ihrer Eltern betreut werden und 16 Tagesgroßpflegestellen, die insgesamt 120 Kinder betreuen. Trotz der seit 2008 bekannten Steuerpflicht ab 01. Januar 2009 ist bisher keine Kindertagespflegestelle geschlossen worden. Eine umfassende Information, schriftlich und in einer von der Abteilung Jugend des Bezirksamtes betreuten Informationsveranstaltung, hat wohl dazu beigetragen. Ob die Tätigkeit „Kindertagespflege“ weiter attraktiv bleibt, hängt von mehreren Faktoren ab: Familieneinkommen, steuerliche Veranlagung, ob Renten- und Krankenversicherungspflicht besteht, wenn Einkommensgrenzen überschritten werden.

Die CDU-Fraktion wollte mit einer Großen Anfrage „Auswirkungen des Konjunkturpaketes II auf Neukölln“ erkunden und hatte selbst dazu auch Forderungen, die sie in zwei Anträgen formulierte: Alle Nord-Neuköllner Grundschulen zu Ganztagsschulen ausbauen, die schon in der Investitionsplanung befindlichen Schulneubauten realisieren und die Sanierung der Psychiatrie des Klinikum Vivantes ermöglichen. Baustadtrat Blesing (SPD) erläuterte: Das Konjunkturprogramm II hat für Berlin ein Volumen von 632 Millionen Euro, davon entfallen 196 Mio. Euro auf Schulen und 54 Mio. Euro auf Krankenhäuser. Eine Quotierung der Mittel auf Bezirke wird es nicht geben. Ein Steuerungsgremium, dem auch der Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) als Vorsitzender des Finanzausschusses des Rates der Bürgermeister angehört, entscheidet über die Projekte. Die Umsetzung des Konjunkturprogramms ist ein finanzieller, personeller und verwaltungstechnischer Kraftakt. Eine kontroverse Diskussion über dessen Höhe und Ausstattung und die Zuweisung an Neukölln schloss sich an. Weil der letzte Cent aus dem Programm am 31. Dezember 2011 abgerechnet sein muss, ist es laut Stadtrat Blesing ungewiss, ob die Schulneubauten bis zu diesem Zeitpunkt realisiert werden können. Eine direkte Zuständigkeit für Vivantes und damit für die Sanierung der Psychiatrie hat der Bezirk nicht, will sich aber unterstützend in den Prozess einbringen. Deshalb wurden beide Anträge der CDU abgelehnt.

Einige weitere Anträge wurden zu Fachberatung in die Ausschüsse der BVV überwiesen. Themen: Wie lange noch „Neuköllner Maientage“ in der Hasenheide? (Grüne), Leseschule in der Albert-Schweizer-Oberschule (CDU), Internet-Veröffentlichung der Energieausweise für bezirkliche Liegenschaften (Grüne), Konjunkturprogramm für Neukölln nutzen (Grüne).

Die nächste Bezirksverordnetenversammlung findet am 20. Februar 2009 statt.

Jürgen Biele